“Man muss die Finanzminister in ihre Sprache ansprechen“
Interview mit Gaby Zimmer
Vorsitzende der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke
Von Chrissi Wilkens
Veröffentlicht in der griechischen Wochenzeitung “O Dromos tis Aristeras” am 10 Juni 2017
In einen aktuellen Text den Sie mit Frau Keller und Herrn Pitella unterzeichnet haben, fordern sie die griechische Regierung auf Reformen fortzusetzen. Sie haben den Text in die Öffentlichkeit gegeben am 17. Mai, am gleichen Tag als in Griechenland ein Generalstreik von den griechischen Gewerkschaften gegen diese ‘Reformen‘, die die Gläubiger auferlegt hat stattgefunden hat. Warum gibt es diese Stellung? Hat sich die Position der Europäischen Linken was das griechische Problem angeht, verändert?
Nein, die Position der Linken zu Griechenland hat sich überhaupt nicht verändert. Wir waren immer von Anfang an und sind auch jetzt gegen die Memoranden, gegen die Auflagen die dem griechischen Volk aufgedrückt werden. Wir sagen ganz klar, dass was die Gläubigern von Griechenland fordern, führt nicht aus dieser desaströse Situation heraus. Diese Erklärung hat sich an die Eurogruppen –Minister gerichtet die sich am Montag danach getroffen haben. Darin ging es darum, dass man nun endlich bereit sein muss, einen Schuldenschnitt in Erwägung zu ziehen.
Welche Reformen meinen Sie in der gemeinsamen Erklärung?
Wir denken z.B an Erleichterungen, die die Regierung im Rahmen der aufgedrückten Lohnkürzungen und Rentenkürzungen erreicht hat, um die Lage zumindest punktuell zu verbessern und wenigstens einen kleinen Teil, die Ärmsten der Armen, zu schützen. Es hat auch Bewegung gegeben in Richtung einer Steuerreform, die die Reichen wesentlich mehr zur Kasse zu bittet und ebenfalls den Klientelismus bekämpfen soll. D.h wir sprechen nicht von den Reformen die Gläubiger Griechenland aufdrücken, weil sie für uns keine Reformen sind. Wir sprechen von den Maßnahmen, die die griechische Regierung trotz aller Erpressungen durch die Gläubiger und die Institutionen diesen abgetrotzt hat. Das ist an einige Stellen minimal, aber es sind wesentliche Punkte. Schauen sie alleine was Weihnachten angekündigt worden ist. Die Regierung versuchte der ärmsten der Armen eine einmalige Auszahlung zu Verfügung zu stellen. Das ist keine Reform. Dies ist aber ein wichtiges Signal gewesen. Doch von Schäuble kam selbst hier eine harsche Kritik
Glauben sie, dass dieses Programm das unter Druck der Troika seit 7 Jahren in Griechenland umgesetzt wird und auch diese ‘Reformen‘, die das im Land eine der größten wirtschaftlichen und sozialen Katastrophen in der Geschichte des Kapitalismus geführt haben (27% Reduktion des BIP , hohe Arbeitslosigkeit, Abschaffung von sozialen Rechten und Arbeiterrechte , große Probleme in der Krankenversicherung, tausende von Selbstmorde) fortgesetzt werden sollen?
Nein. Im Gegenteil ich will das endlich Schluss ist damit, ich will, dass Griechenland wieder die Handlungsfreiheit bekommt. Aber wissen sie ich stehe jetzt hier in eine bestimmte Stelle, im europäischen Parlament. Ich habe die Möglichkeit die Fraktionsvorsitzende der Grüne und den Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten dafür zu gewinnen, dass wir uns gemeinsam an die Eurogruppe wenden und sagen: jetzt hört endlich auf! Das haben wir versucht. Diese gemeinsame Erklärung ist natürlich ein Kompromisstext, um die anderen einzubinden. Es war aber klar, dass wir mit Reformen nicht das Memorandum meinen. Man muss solche Erklärungen im Kontext lesen: an wen richtet sich die Erklärung und was will ich erreichen? Wenn ich die Gläubiger erreichen will, kann ich Ihnen nicht schreiben, dass man den Kapitalismus überwinden muss. Ich kann darüber nachdenken wie man ihn überwindet. Wenn ich den Finanzministern sowas schreiben, dann schmeißen sie dem Text gleich weg. Ich muss sie in ihre Sprache ansprechen. Das ist der Unterschied zwischen eine Solidaritätserklärung mit dem griechischen Volk und eine Erklärung die ich an die Finanzminister richte. Die nämlich nur in diese neoliberale Denkweise verhaftet sind, etwas anders nicht begreifen wollen.
Was meinen Sie genau, indem Sie die griechische Regierung ermutigen die Grundsätze des Wettbewerbs anzuwenden? Stellen sie sich gegen die Verkaufsverträgen des griechischen Staatsvermögens an Ausländer? Wie z.B den Verkauf der profitablen griechischen Flughäfen an die deutsche Fraport ?
Ich habe mich immer dagegen gewannt. Der Verkauf der Flughäfen, der Verkauf des Hafens von Piräus, das sind Dinge die einer Volkswirtschaft schaden. Genau das gehört zu den Maßnahmen, mit denen die Linksregierung erpresst wird. Die neoliberal geprägte EU orientiert sich an der globalen Konkurrenzfähigkeit. Nach diesem Verständnis darf es kein öffentliches Eigentum geben. Deshalb muss dieses neoliberale Konkurrenzdenken gebrochen werden. Dieser Herausforderung müssen wir uns als Linke alle stellen, das kann nicht eine einzelne Regierung leisten.
Die Politik der CDU und SPD-Regierung gegen Griechenland dient oder schaden die deutschen nationale Interesse Ihrer Meinung nach?
Sie schadet den europäischen Interessen und damit auch den Interessen meiner Freunde, meiner Nachbarn, meiner Familie von allen und natürlich auch Deutschland insgesamt. Weil Deutschland damit natürlich in den Ruf gerät, dass es seine alte Hegemonie wieder aufbauen will. Das finde ich fatal. Dagegen werde ich mich immer wenden. ich bin der Meinung, dass die Linken in Deutschland einen ganz gezielten Wahlkampf führen müssen um die künftige Rolle einer neugewählten Bundesregierung in der europäischen Union neu zu definieren.
Was denken Sie sollten mit der griechischen Staatsschulden passieren? Denken Sie, dass sie tragfähig sind?
Nein sie sind nicht tragfähig. Es ist ein tragisches Schauspiel was hier abläuft. Das Schuldenproblem muss gelöst werden. Es gibt verschiede Möglichkeiten. das griechische Parlament hat am Ende der letzten Legislaturperiode ja selbst in einen Bericht festgestellt, dass die Schulden neue bewertet werden müssen. Auf dieser Basis muss entschieden werden welche Schulden stehen überhaupt zur Debatte. Und bei den Schulden die zur Debatte stehen, braucht man entweder ein Schuldenschnitt, eine Umstrukturierung von Schulden, einen Schuldenerlass. Man kann den Vorschlag von Tsipras für eine Schuldenkonferenz in Südeuropa unterstützen. Das ganze Problem trifft ja auch Italien, Spanien, Portugal. Und man kann auch fordern so wie man 1952 West-DE nach einen verbrecherischen von ihm selbstverursachten Krieg von den Kriegsschulden zum Großteil erlassen hat, eine ähnliche Lösung zu finden. Damals waren die Forderungen Griechenland gar nicht berücksichtig worden. Eine solche Konferenz brauchen auch Griechenland und die südeuropäischen Staaten. Und Deutschland hat die eigenen Schulden, die geforderten Reparationen endlich zu bezahlen.
Die Herausgeber von Handelsblatt Herr Steingart hat in einen Interview im Jahr 2011 in ein einen griechischen Blog das Griechenlandprogramm mit dem Morgenthau-Plan vergleicht, der von den Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg zusammengestellt haben und auf die Rückkehr Deutschlands in die vorindustriellen Zeit vorgesehen hat. Stimmen Sie dieser Einschätzung zu?
Ich sehe es ein bisschen anders. Für mich steht vor allem eine politische Frage im Vordergrund: Zu verhindern, dass in Griechenland eine linke Regierung in der Lage ist den anderen 27 Regierungschefs und Institutionen Paroli zu bieten. Diese Regierung muss weg. Das ist der Plan von Schäuble. Und ihm ist dabei völlig egal, welchen Folgen das für die Menschen in Griechenland hat.
Sie nennen es eine linke Regierung, trotzdem ist es eine Regierung die seit zwei Jahren eine extrem neoliberale Sparpolitik umsetz. Kann man sie noch überhaupt als eine linke Regierung bezeichnen?
… Ich finde es ist eine Tragik! Die linke Regierung Syriza ist angetreten um aus diesen Joch, aus dieser Erpressung auszubrechen. Am Vorabend des Referendums vor zwei Jahren in Athen habe ich die Menschen auf den Platz gesehen, ich habe die Stimmung gespürt. Und es ist einfach unfassbar, dass die Gläubiger dieses demokratische Referendum einfach ignorierten. Es war eine ganz klare Niederlage, eine Katastrophe, dass Tsipras dann unterschreiben musste. Nicht nur für Tsipras und die Linke, nein für das griechische Volk. Und jetzt kann man die Frage stellen: Musste er unterschreiben oder hätte er sagen sollen, dann sind halt am nächsten Tag die Banken geschlossen, dann treten wir aus dem Euro raus, dann treten wir aus der EU raus. Oder hätte er sagen müssen, ja dann sollen doch die Neoliberalen in Griechenland das umsetzen, was wir nicht verhindern könnten und aus der Regierungsverantwortung fliehen sollen?
Verteidigen sie ihn gerade?
Nein, denn ich kann mir gut vorstellen, wie schwierig eine solche Entscheidung ist. Die Frage ist, lass ich die Bürger, mit denen ich gekämpft habe, dann alleine? Oder sehe ich Möglichkeiten, wenigstens ein bisschen was herauszuholen, heraus zu verhandeln. Ich weiß nicht, wie es ausgehen wird, ob es eine richtige Entscheidung war. Mir ist es jedenfalls zu billig, mich hinzustellen und zu sagen der Schuldige ist Tsipras. Ich sage, die Schuldigen sind die, die eine vom Volk gewählte Regierung so erpressen, so unter Druck setzen, dass diese Regierung praktisch nur zwischen Cholera und Pest wählen kann.